(Sozial-)Netzwerkmanagement

Letzte Woche war ich auf der interPM , einer jährlich stattfindenden interdisziplinären Konferenz zum Projektmanagement. Wobei der Begriff Konferenz nicht ganz paßt, weil der zeitlich dominierende Anteil Open-Space-Arbeitsgruppen einnehmen. In diesem Jahr stand die interPM unter dem Titel „Neu denken: vom Projekt- zum Netzwerkmanagement“.

Die Unternehmen organisieren ihre Leistungsprozesse in Wertschöpfungsnetzwerken und sichern die Zukunft über branchen- und länderübergreifende Innovationsnetzwerke. Beim Informationsaustausch und der Kommunikation haben sich soziale Netzwerke etabliert, bei denen die Grenzen zwischen beruflicher und privater Nutzung verwischen. Die Trends in Wirtschaft und Gesellschaft finden auch im Projektmanagement ihren Niederschlag.

Im Projektmanagement ist zunehmend Netzwerkmanagement gefordert. Die Projektarbeit erfolgt längst in vernetzten Strukturen und muss verschiedene Ausprägungsformen der Vernetzung der beteiligten Partner und Unternehmensbereiche sowie auch der im Projekt beteiligten Mitarbeiter Rechnung tragen. Die zunehmende Vernetzung führt auch zu neuen Herausforderungen wie die Klärung der Frage der Führung in kooperativen Projekten, dem Umgang mit der gestiegenen Komplexität (Innovation und Effizienz statt mehr Bürokratie) und Fragen der Kommunikationskultur.

Eine der Fragen, die ich für mich auf der interPM klären wollte, war, was ist eigentlich ein Netzwerk? Selbstverständlich läßt sich „Netzwerk“ ganz unterschiedlich definieren, z.B. als Graph mit Knoten und Kanten – aber die Frage ist ja, welche Definition ist im Kontext von Projektmanagement hilfreich. Für mich ist folgende Definition dabei herausgekommen (die für mich auch die systemische Organisationstheorie Anschluß findet, vgl. auch meine Definitionen von Team, Gruppe und Organisation):

Ein Netzwerk ist eine Organisation (=soziales System), dass dadurch gekennzeichnet ist, dass sich Teile ihrer Mitglieder immer wieder temporär und in variierenden Zusammensetzungen zu bestimmten gemeinsamen Handlungen zusammenfinden. Sie treten damit widerkehrend aus stabilen aber latenten (schlafenden) in aktive Beziehungen (z.B. Projekte) zueinander ein, mit denen sie wiederum ihre Beziehungen aktualisieren.

Obwohl in Netzwerken auch Marktmechanismen wirken sind es in erster Linie dennoch Organisationen. Die Beziehungen ihrer Mitglieder sind eingebettet in Geschichten vergangener Kooperationen, aus denen sich Vertrauen zueinander, d.h. stabile und belastbare Beziehungen entwickelt haben. Diese Beziehungen sind, auch wenn es sich bei den Mitgliedern bspw. um Unternehmen handelt, stark durch die beteiligten Menschen konstituiert. Netzwerke haben zunächst nur generische Ziele, nämlich Möglichkeiten für konkrete Vorhaben bereit zu halten.

Netzwerke sind in den letzten Jahrzehnten auf Grund der allgemein gestiegenen Markt- und Umfelddynamik immer wichtiger geworden. Zum einen erweitert ein Netzwerk die eigenen Kernkompetenzen; Netzwerkpartner können auf komplexe Anforderungen inhaltlich fundierter reagieren, weil sie in Ihem Netzwerk entsprechende Spezialisten kennen. Zum anderen erhöht das Netzwerk die Reaktionsgeschwindigkeit. Ein Netzwerkpartner findet nicht nur einen entsprechenden Spezialisten im Netzwerk, auf Grund der belastbaren und vertrauensvollen Beziehungen finden sie auch schneller, flexibler und unkompliziert zusammen. Viele Netzwerke kommen mit extrem wenig Formalismen aus. Die Rahmenbedingungen und Konditionen der Kooperation, die Berücksichtigung der verschiedenen Interessen müssen nicht jedes Mal neu ausgehandelt werden.

Insofern sind Projekte die aus Netzwerken entstehen meistens besser und schneller konstituiert, als solche, die ohne entstehen. Andererseits schlummern hier auch neue Gefahren, beispielsweise Pfadabhängigkeiten. Netzwerke verhalten sich emergent und weniger führbar bzw. weniger gezielt beeinflussbar, was wiederum typischwerweise durch erhöhte (Selbst-)Reflexion ausgeglichen werden kann. Die Pflege, also das Bereithalten des Netzwerkes erfordert einen nennenswerten Aufwand (Mitglieder von Xing, LinkedIn u.a. Netzwerken kennen dies), wobei das Netzwerk langfristig für die Mitglieder einen den Aufwand übersteigenden Nutzen bringen muss.So, wie es verschiedene Organisationstypen gibt (z.B. bürokratische und weniger bürokratische), so existieren auch verschiedene Netzwerktypen (offene und geschlossene, mono- oder polyzentrische).

Die Mitgliedschaft und Arbeit von Mitarbeitern in Netzwerken wird von Unternehmen nicht immer als Teil der Arbeit anerkannt. Führungskräfte sollten den Nutzen von Netzwerkarbeit zusammen mit den Netzwerkern regelmäßig reflektieren und steuern, wobei Unternehmen, die Ressourcen für Netzwerkarbeit bereitstellen, auch Wünsche zu deren Präferenzen, Ziele und Strategien formulieren werden. Zusätzlich können Unternehmen auch zentrale Services für das Netzwerkmanagement bzw. für das NR (Network Relations – analog zu PR für „Public Releation“) bereitstellen.

Bernd Oestereich

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