Der agile Festpreis ohne transparente Kalkulation?
Gestern erreichte mich eine Frage zum „agilen Festpreis“, wie wir ihn im APM-Buch und im Artikel über Preis- und Vertragsmodelle beschrieben haben: „Wie kann ein solches Kalkulations- und Bemessungsverfahren aussehen? Und: Eine Aufwandschätzung in Arbeitsstunden ist für uns leider nicht möglich, da wir diese Information gegenüber unserem Kunden aus kommerziellen Gründen nicht offenlegen wollen.“
Meine Antwort: Welches Bemessungsverfahren Sie nehmen ist für den agilen Festpreis nicht entscheidend. Nehmen Sie bspw. Function Points, Widget Points, Use Case Steps, LOC oder Gummibärchen (XP).
Mit Transparenz nennen Sie Ihrem Kunden den Gesamtpreis (z.B. 500.000 €) und welche Menge von Kalkulationseinheiten sie hierfür liefern (z.B. 50.000 LOC). Dann kann ihr Kunde daraus ableiten, dass Sie 10 €/LOC berechnen. Wenn Sie dann eine hinzu- oder hinausgehende Anforderung schätzen und ihm bspw. 50 LOC als Preis nennen, hat das einen Wert von 500 €.
Ohne Transparenz geht es auch, allerdings mit einer Einschränkung: Solange Sie wirklich nur bis zum Projektende den Saldo ausgleichen wollen, der Preis also wirklich fest bleibt, reicht es, wenn Sie für rein- und rausgehende Anforderungen nur die Bemessungsgröße (z.B. LOC) nennen. Sie dürfen jedoch den Gesamtumfang (50.000 LOC) nicht verraten, sonst kann Ihr Kunde nachrechnen.
Würden Sie aber den Gesamtpreis mittendrin ändern, bspw. weil ihr Kunde den Auftrag erweitern möchte, dann dürften Sie ihm nur den Preis (€), aber nicht die Bemessungsgröße (LOC) mitteilen. Sonst könnte er auch hierüber nachrechnen.
Bitte überschätzen Sie die Zählweise oder Genauigkeit des Verfahrens nicht. Wichtiger als die tatsächliche Größe und die Frage welches Verfahren Sie anwenden ist vielmehr, dass Sie dieses Verfahren während der gesamten Projektlaufzeit und für alle rein/rausgehenden Anforderungen reproduzierbar und einheitlich anwenden können. Daher funktioniert es bspw. auch mit Planning Poker (Scrum).
Sofern Sie den agilen Festpreis intransparent anwenden, braucht ihr Kunde mehr Vertrauen zu Ihnen als bei transparentem Verfahren.
Bernd Oestereich