Gedanken zur Sprache in Scrum

Scrum ChickenScrum verwendet ja bekanntlich eine proprietäre, d.h. sehr eigene Terminologie. Gerade auch Standardbegriffe werden durch eigene Kreationen ersetzt, beispielsweise heißt die „Iteration“ in Scrum „Sprint“. Bewusst andere Begriffe zu verwenden, hilft dabei, die Andersartigkeit, das Neue also, schneller und besser zu erkennen. Ein bewusster Kontrapunkt auch in der Sprache, damit gleich von Anfang an klar wird, es geht hier nicht um kleinere Neuerungen und Änderungen gegenüber dem Altbekannten, sondern um etwas grundsätzlich Neues, eine ganz andere Haltung oder Sichtweise. Gerade weil viele Einzeltechniken agilen Vorgehens so neu nicht sind (iteratives Vorgehen ist seit den 1970er Jahren in Theorie und Praxis bekannt und erfolgreich), sondern auch in etwas anderer Weise verwendet werden, kann eine klare sprachliche Abgrenzung hilfreich sein.

Diese wesentlichen Unterschiede in der grundsätzlichen Herangehensweise und Haltung formuliert das agile Manifest. Es setzt die Prioritäten anders und führt deswegen selbst dann zu einer anderen Vorgehensweise, wenn die Einzeltechniken an sich gar nicht groß geändert würden.

Eine andere Sprache ist aber ebenso auch problematisch. Zum einen bildet sie eine Barriere für Neulinge. Selbst wenn alle Einzeltechniken bekannt sind, selbst wenn jemand schon viel Erfahrung mit anderen agilen Vorgehensweisen und eine andere Haltung entwickelt hat – er muss jetzt neue Begriffe lernen.

Solange Scrum für viele neu war und in einer Nische steckte, verlangte die proprietäre Terminologie im positiven Sinne eine intensivere Auseinandersetzung mit Scrum. Je mehr Scrum in den Mainstream gelangt und selbstverständlich wird, desto mehr steht die proprietäre Terminologie einfach nur Seite an Seite mit anderen ((älteren) Standards). Es wirkt dann immer mehr so, als wäre das Andersseinwollen ein Selbstzweck, eine eher pubertäre Reaktion.

Zum anderen tut sich Scrum schwer damit, die Begriffe in die Muttersprachen ihrer Anwender zu übersetzen, in unserem Falle also ins Deutsche. Gerade auf dem Weg zum Mainstream gibt es viele gute Gründe hierfür. Die Häufigkeit von Missverständnissen oder gar die Unverständlichkeit einzelner Begriffe oder Aussagen ist selbst bei Deutschen mit durchschnittlichen oder guten Englischkenntnissen signifikant. Und auch die Kommunikationseffizienz ist geringer. Begriffe werden nicht ad hoc gefühlt, sondern mehr intellektuell verarbeitet, was ein verzögertes aber auch anderes Verstehen zur Folge hat. Wir Deutschen beklagen uns berechtigt über die vielen Anglizismen und den daraus gebildeten leeren Phrasen. Das heißt ja aber nicht, dass die Sätze im Englischen oder Amerikanischen sinnvoller sind. Manchmal merkt man erst bei der bewussten Übersetzung welcher Unsinn bereits im englischsprachigen Original steckt.

Ein weiterer Schwachpunkt der Scrum-Terminologie ist die teilweise unpassende Bildhaftigkeit. Die Metaphern sind oftmals ganz unpassend. Hier ein paar Beispiele.

Ein „Sprint“ ist ein Kurzstreckenlauf, bei dem ich alle Kraft einsetze. Nach dem Sprint bin ich erstmal erschöpft. Es ist kein ausdauernder Lauf, sondern ein einmaliger. Eine Iteration dagegen ist etwas, das sich in ähnlicher Weise stets wiederholt. Sprint drückt gar nicht das aus, was Scrum eigentlich meint, nämlich eine „kurze Iteration“.

Dann gibt es noch die Backlogs: Product-Backlog und Sprint-Backlog. Ist ein Backlog eine „Rückstandsliste“? In gewisser Weise ja, aber der passendere und einfachere Begriff wäre vielleicht „Aufgabenliste“.

Das „Burn-Down-Chart“ ist ebenso kein Abbrenndiagramm, sondern ein Abarbeitungsdiagramm oder ein auf den Kopf gestelltes Fortschrittsdiagramm.

„Scrum“ selbst ist im Rugby ein „Gedränge“. Ist der Scrum-Master dann ein „Gedränge-Meister“, also ein besonders guter „Drängler“? So lustig eine wörtliche Übersetzung vielleicht klingt, so treffend ist der Begriff aber möglicherweise, denn ein Wesen von Scrum ist die starke Fokussierung auf das Entwicklungsteam, das Scrum-Team. Und was ist „fokussieren“ anderes als ein Zusammendrängen? Allenfalls beim Scrum-Master wäre „Scrum-Coach“ oder „Team-Coach“ überlegenswert. Aber „Master“ klingt natürlich cooler, vor allem wenn er noch „certified“ ist.

Das Daily-Scrum-Meeting ist bereits ein Pleonasmus (eine sprachliche Redundanz) denn ein „Gedränge“ ist ja irgendwie schon ein „Meeting“ bzw. „Treffen“.

Die Rolle des Product-Owners („Produkteigner“?) ist sehr eigen in ihrer inhaltlichen Bedeutung und Abgrenzung, und „Produktverantwortlicher“, „Kunde“, „Kundenrepräsentant“ usw. drücken vielleicht nur Teile dessen aus, was in Scrum gemeint ist. Weniger dogmatisch und etwas mehr am Mainstream orientiert wäre „Produktverantwortlicher“ aber wahrscheinlich halbwegs akzeptabel.

Abbrennen, Einmallauf, Rückstand, Drängen, Eigner – ich finde dass sind eher negativ konnotierte Ausgangsbegriffe.

Sofern man die unpassenden Metaphern vermeiden möchte oder nur im Duden stehenden Begriffe verwenden möchte, lassen sich folgende Übersetzungen wählen:

  • Sprint -> Iteration
  • Sprint-Backlog -> Iterationplan oder Aufgabenliste (für Iteration x)
  • Produkt-Backlog -> Featureliste
  • Burn-Down-Chart -> Abarbeitungsdiagramm
  • Daily-Scrum-Meeting -> Tägliches Team-Treffen
  • Product-Owner -> Produktverantwortlicher (oder Produktmanager)

Achja: für „Mainstream“ hab ich gerade kein passendes deutsches Wort gefunden. „Sorry“.

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