Was ist Design Thinking?
Verkürzt auf einen einzelnen Satz ließe sich sagen: Design Thinking ist eine Methode um komplexe Probleme zu lösen und innovative Ideen zu entwickeln. Anders als das Wort „Thinking“ aber vermuten lässt, ist Design Thinking eine Methode mit viel strukturiertem Tun und viel Praxis. Und das Wort „Design“ dürfen Sie auch nicht auf „hübsch machen“, „Gestaltung der äußeren Form“ oder rein ästhetische Fragen reduzieren. Eigentlich so etwas wie „erfinderisches Denken“ gemeint.
Gewöhnliches Business-Denken
Gewöhnlich dominieren technische und geschäftliche Sichtweisen die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen und Produkte. Und erst dann kommt der Mensch. Bevor wir vertiefen, was Design Thinking ist und wie es funktioniert, betrachten wir einmal kurz das gewöhnliche Denken und gewöhnliche Lösungswege. Das funktioniert so:
1. Ausgehend von einem Problem werden die vorhandenen möglichen Lösungsvarianten gegenübergestellt,
2. sich dann für eine dieser Möglichkeiten entschieden
3. und diese dann umgesetzt.
Der Weg lautet also: Problem – Entscheidung – Lösung. Dieser Weg ist durchaus ein natürlich entstehender, denn Organisationen tendieren dazu, Probleme und Optionen auf die naheliegenden und inkrementellen zu begrenzen.
Gruppendenken konvergiert regelmäßig zu einem einzelnen Ergebnis. Dieser Weg ist auch durchaus effizient, er führt oft relativ schnell zu halbwegs brauchbaren Entscheidungen und Lösungen. Allerdings auch zu naheliegenden. Bei den Lösungsvarianten handelt es sich bspw. um die vorhandenen technischen oder organisatorischen Möglichkeiten.
Disruptive Ideen durch Empathie
Viele Innovationen werden reaktiv durch den Markt, also durch Verhalten der Mitbewerber, oder durch neue technische Möglichkeiten angestoßen. Das bestehende wird ein wenig weiter entwickelt. Solche eher inkrementell und evolutionär entwickelten Lösungen sind meistens leicht zu kopieren. Alleine durch technische Möglichkeiten angestoßene Ideen überzeugen die Märkte immer weniger und halten sich oft nur kurze Zeit. Henry Ford sagte: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde“. Schnellere Pferde wären eine inkrementelle Weiterentwicklung eines damals gängigen Verkehrsmittels gewesen. Die Massenfertigung von Autos führte jedoch zu keiner inkrementellen, sondern einer massiven, einer disruptiven Veränderung.
Aber wollte Ford damit sagen, gar nicht auf die Menschen zu hören? Nein, denn von Henry Ford stammt auch die Aussage: „Das Geheimnis des Erfolges ist, den Standpunkt des anderen zu verstehen.“ Also es geht schon darum, sich in Menschen hinein zu versetzen – aber eben nur bedingt darum, sie zu fragen oder Marktforschung zu betreiben – zumindest nicht dann, wenn massive, disruptive Innovationen möglich werden sollen. Im Kern geht es darum, sich in Menschen hinein zu versetzen und ihre möglichen Bedürfnisse durch Empathie zu antizipieren, so dass am Ende möglicherweise ein Produkt oder eine Dienstleistung entstanden ist, die Bedürfnisse von Menschen befriedigt, die sie selbst noch gar nicht ausdrücken konnten.
Design Thinking ist der Versuch, neue Produkte und Dienstleistungen nicht nur aus rein technischen oder geschäftlichen Perspektiven zu entwickeln, sondern technische, geschäftliche und menschliche Aspekte in eine gewissen Überdeckung zu bringen und eine kreative Balance zwischen ihnen herzustellen. Erst in diesem Spannungsfeld entstehen wirkliche Innovationen. Mit „Design“ ist hier also die Gestaltung von Lösungen gemeint, die alle diese Aspekte ausgewogen zusammenbringt. Der Startpunkt hierfür ist der Mensch. Die Orientierung am Menschen ist der entscheidende Punkt – die Empathie. Empathie weniger im Sinne von Mitgefühl, sondern mehr im Sinne von Einfühlungsvermögen. Anders ausgedrückt, geht es darum, Technikern und Managern, die vor allem durch rationales und deduktives Denken geprägt sind, hierzu komplementäre Aspekte nahe zu bringen und zu erschließen. Designer haben typischerweise einen anderen Denkstil, so das dieses Design Denken – Design Thinking – die eigentliche Intervention darstellt. Der Designer Philipp Schaefer (IDEO) formuliert es so: „Design ist zu wichtig, um es Designern zu überlassen.“
Und Prof. Uli Weinberg (HPI Potsdam) formulierte: „Die Mission von Design Thinking ist, Beobachtungen in Einsichten und Einsichten in Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen, die das Leben verbessern.“ Idealerweise betrifft Design Thinking dabei primär nicht die Herstellung von Produkten, sondern die Herstellung von Beziehungen, also emotionalen Erfahrungen, zu Produkten und zu anderen Menschen.
Soviel zu der Frage, WAS Design Thinking ist. In einem späteren Beitrag werde ich darauf eingehen, wie Design Thinking funktioniert.
Bernd Oestereich
Sehr wertvolle Zusammenfassung!
Danke Bernd!